Die Unvermeidbarkeit des Bedingungslosen Grundeinkommens
In den letzten Wochen setzen ein Freund und ich uns regelmäßig, ganz digital per Skype, zusammen und diskutieren über die Zukunft. Nicht unsere persönliche Zukunft, sondern die der Menschheit, also alles von Musk bis Mars und von alternativen Lebensweisen bis artifizeller Intelligenz. Der Punkt zu dem wir bei jedem Diskurs — gewollte oder ungewollt — zurückfinden, ist die Zukunft der Arbeit und wie der Platz des Menschen darin aussehen wird.
Denn in nicht allzu ferner Zukunft — und wir reden hier von den nächsten 20 bis 40 Jahren — wird die Mehrheit der traditionellen Arbeit nicht mehr in menschlicher Hand liegen. Wir bleiben also bei der Frage hängen, was passiert mit den Menschen, die ihr Leben in den Arbeitsfeldern verbracht haben, die jetzt schon durch immer ausgereiftere, effizientere und günstigere Automation ersetzt werden. Und was für Jobs werden in den nächsten Dekaden noch für uns Menschen übrig bleiben. Wie wird es in hundert Jahren aussehen? Die Computerevolution hochgerechnet (ganz emotional empirisch aus dem Bauch heraus geschätzt), wird es überhaupt noch Jobs geben, die einen Menschen für seine direkte Erledigung überhaupt noch notwendig machen?
Gemäß Umfrage der MIT Initiative on Digital Economy, werden wir bereits in den 2030er Jahren sehen, das 50% der gefahrenen Kilometer auf US-Highways nicht mehr von Menschen gefahren. Schon in zehn Jahren sollen bereits die Mehrheit der Medizinischen und diagnostischen Bildaufnahmen primär von Maschinen ausgewertet werden. Über 95% der Arbeit der Flugverkehrskontrolle wird in den Händen von Computern liegen, genauso wie die Mehrheit chirurgischer Eingriffe und über 50% der Manager-Aufgaben in den Fortune 500 Unternehmen.
Klingt nach fantastischen Zahlen, aber selbst nach aktuellem technischen Stand können bereits 45% aller entlohnter Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden und selbst bei 60% aller Berufe können 30% der Kernaufgaben aus Menschenhänden in künstliche Hände gegeben werden.
Eben jene McKinsey-Studie redet dabei nicht einmal nur von traditioneller manueller Arbeit, die uns dabei vermutlich allen durch den Kopf geht — von Schwerindustrie bis Lagerhaltung — sondern auch in Finanzdienst- und Versicherungsbranche sind bereits 50% der Arbeitskraft auf Datensammlung und -Analyse gerichtet. Nichts wofür Menschen mit aktuell verfügbaren maschinellen Algorithmen und sich entwickelnden Deep Learning-Konzepten unbedingt gebraucht werden und ein kleiner schwarzer Kasten in einem Serveraum, ohne Pausen und Jahresurlaub geschweige denn Feierabend und Privatleben, wesentlich günstiger und effizienter ist.
Dem mag man entgegenhalten können, dass an jeder Stelle auch neue Themenfelder auftun und die Job-Titel genauso schnell wechseln. Tatsächlich sind in den letzten 30 Jahren, neue Aufgaben und Job-Titel in den Vereinigten Staaten zu einem großen Anteil für das Wachstum des Arbeitsmarktes verantwortlich. Doch die Beschäftigungsrate in den kommenden Dekaden wird vermutlich nicht abhängig sein von wirtschaftlicher Anpassungsfähigkeit der Job-Titel, sondern der Anpassungsfähigkeit und -willigkeit der Menschen in eben jeden Industrien. Arbeitslosigkeit wird mit fortschreitender Automation kein zu bekämpfenden Wahlkampfthema mehr sein, sondern zu verwaltenden Allgegenwärtigkeit.
Das genau auf diesem Gebiet die westlichen Wirtschaften und Politiken aufholbedarf haben, zeigen Trump, Brexit-Debatten und Nationalismuswahn auf beiden Seiten des Atlantiks. Und das alles ist Resultat einer existentiellen Angst einer vergessenen Mittelschicht und der “Generation Handarbeit” vor Armut und Einsamkeit. Genau hier zeigt sich die Heilbarkeit mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).
Dabei geht es nicht einmal um die Frage nach volkswirtschaftlicher Machbarkeit — Rutger Bregman verortet die nationalen Kosten bei einem Viertel der U.S. Militärausgaben oder 1% des U.S. BIP — noch politischen oder ideologischen Willen.
Die Rationalität technologischer Evolution bedingt eine Lösungsfindung in Richtung BGE (Ansätze eine maschinellen Devolution oder Bevölkerungskontrolle ausgenommen), egal was. Denn die Gefahren, die sich aus Armut ergeben, sind realistischer als die Science-Fiction-Fantasien einer Roboter-Apocalypse. Auch wenn die Mono-Kausalität zwischen Armut und Terrorismus in den letzten zehn Jahren in die Archive verbannt wurde, ist ein teilweise verursachender Zusammenhang zwischen Armut und Gewalt nicht von der Hand zu weisen. Über die Akte einer terroristischen Vereinigung von Stahlarbeitern zu fantasieren, klingt zunächst abstrus, aus dem Licht gesehen aber auch pervers real.
Doch selbst wenn wir unser gesellschaftliches Seelenheil mit dem BGE in das Zeitalter der industriellen Roboter-Revolution retten, was wird aus den ersten Generation, die in 30 Jahren heranwachsen wird, mit einer zunehmend fehlenden Notwendigkeit arbeiten zu müssen?
An einer wirtschaftlichen Produktivität gemessen, wird der Mensch, wie es Robin Hanson bezeichnet, zum “Rentner der Zukunft”. Das heißt, 18-jährige Renter mit der überfließenden Energie eines Heranwachsenden. Was nach den Anfangsszenen von Burgess’ “Clockwork Orange” klingt, hat längst Realität und Lösung gefunden.
Island sah sich in den 90er Jahren mit einer alarmierenden Rate an Drogenmissbrauch unter Heranwachsenden konfrontiert. Umfragen spiegelten 25% täglich Tabak konsumierende 14 bis 16-jährige und 40% mit kurzzeitig zurückliegender Volltrunkenheit. Ein umfangreich finanzielles fördern der Freizeitaktivitäten durch den isländischen Staat, brachte innerhalb von knapp 20 Jahren die Rate jugendlicher Raucher auf 3% und den Alkoholmissbrauch auf 5% runter.
Schlecht in Zahlen zu fassen sind dabei umso wichtigere kulturellen und sportlichen Nebenprodukte, wie die Indi-Rock-Band Of Monsters and Men oder ein Sieg gegen Fussball-Goliath England bei der Fussball-Europameisterschaft 2016. Denn egal welche Zukunft man sich ausmalen darf, auch bei einer beruflichen Entmenschlichung wird das Kreativ-Schöpferische und Sportlich-Emotionale eine tiefverwurzelte humane Zielstellung sein.